24

 

Unruhe im Eingangsbereich des Dunklen Hafens weckte Tegan in seinem Gästezimmer aus einem leichten Schlaf. Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht. Er hörte Elises Stimme - ihr sonst so ruhiger Tonfall klang auf einmal viel höher - und sprang sofort auf die nackten Füße, all seine Sinne in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Nackt, außer seiner Jeans, die er im Gehen anzog, bevor er sich nach unten in die Halle aufmachte, registrierte er die gedämpften Geräusche einer Frau, die weinte. Nicht Elise, Gott sei Dank, aber auch sie war da unten, redete schnell und war ganz offensichtlich beunruhigt.

Tegan trat ans Treppengeländer und sah zum offenen Eingangsbereich des Herrenhauses hinunter. Was er sah, ließ ihn auf der Stelle erstarren.

Elise, die gerade von draußen hereingekommen zu sein schien, war blutüberströmt.

Das gibt’s doch nicht.

Er verlagerte sein Gewicht nach hinten, um nicht zu fallen, und sein Magen fiel wie ein Stein nach unten, bis er irgendwo in seiner Kniegegend hängen blieb. Elise war in Scharlachrot getaucht, die Vorderseite ihrer Kleider blutgetränkt, als hätte ihr jemand die Halsschlagader aufgerissen.

Aber es war nicht ihr Blut, erkannte er, als der metallische Geruch von unten hinaufdriftete und ihm in die Nase stieg. Es war das Blut von jemand anderem - eines Menschen.

Die Erleichterung, die ihn in diesem Augenblick durchströmte, war grenzenlos.

Bis eine verzweifelte Wut ihn packte.

Er legte die Fäuste auf das Treppengeländer, schwang die Füße hinüber und ließ sich mit einem abgehackten Fluch in die Vorhalle hinunterfallen. Elise beachtete ihn kaum, als er auf sie zustapfte, sein Körper zitterte vor Wut. Aber all ihre Konzentration war bei der völlig verstörten Irina Odolf, die auf einer gepolsterten Sitzbank neben der Eingangstür zusammengesackt war und unzusammenhängende Laute von sich gab.

Reichen kam gerade mit einem Glas Wasser aus der Küche angelaufen und reichte es Elise.

„Danke, Andreas.“ Sie drehte sich um und hielt es der schluchzenden Stammesgefährtin hin. „Irina. Trinken Sie etwas davon, wenn Sie können. Dann werden Sie sich besser fühlen.“

Soweit Tegan sehen konnte, fehlte der Frau nichts, außer dass sie unter Schock stand. Elise dagegen sah aus, als hätte sie direkt an vorderster Front gestanden. Eine dunkle Quetschung zog sich ihren Unterkiefer entlang und über die Wange hinauf.

„Was zur Hölle ist passiert? Und was hast du außerhalb des Dunklen Hafens gemacht?“

„Trinken Sie“, redete Elise ihrer Schutzbefohlenen zu und ignorierte Tegan völlig. „Andreas, haben Sie einen ruhigen Raum, wo Irina sich eine Weile hinlegen kann?“

„Ja, natürlich“, erwiderte Reichen. „Im ersten Stock gibt es einen Salon.“

„Ich danke Ihnen. Das wird völlig ausreichen.“

Tegan sah zu, wie leicht es Elise fiel, mit ihrer sanften Art die Kontrolle der Situation an sich zu nehmen. Er musste die Kraft bewundern, die sie in dieser Krise aufbrachte, aber verdammt noch mal, er rauchte vor Wut. „Kannst du mir mal erklären, wie es dazu kommt, dass du hier verletzt und blutüberströmt rumstehst?“

„Heute früh bin ich zu Irina gefahren“, erwiderte Elise und machte sich noch immer nicht die Mühe, seinem wütenden Blick zu begegnen. „Ein Lakai muss mir gefolgt sein …“

„Herr im Himmel!“

„Er brach in Irinas Reihenhaus ein und hat uns angegriffen.

Ich habe ihn unschädlich gemacht.“

„Du hast ihn unschädlich gemacht“, sagte Tegan dunkel.

„Was ist passiert? Hast du mit dem Hundesohn gekämpft? Hast du ihn umgebracht?“

„Ich weiß es nicht. Wir haben nicht abgewartet, um das herauszufinden.“

Sie nahm Irina das Wasserglas aus der Hand, die sowieso kaum etwas trank, und stellte es auf dem Boden ab. „Können Sie aufstehen?“, fragte sie die junge Frau, ihre Stimme liebevoll und besorgt. Als die Stammesgefährtin nickte, packte Elise sie stützend unter dem Arm und half ihr auf die Füße. „Wir gehen zusammen in einen anderen Raum hinauf, wo Sie sich erholen können, in Ordnung?“

„Erlauben Sie.“ Reichen glitt geschmeidig zwischen sie und nahm Irinas schlaffes Gewicht auf sich. Vorsichtig führte er sie auf eine geöffnete Flügeltür zu, die von der Eingangshalle abging.

Als sich Elise anschickte, ihnen zu folgen, streckte Tegan die Hand aus und packte ihr Handgelenk. „Elise. Warte mal.“

Da sie keine Wahl hatte, blieb sie stehen. Dann stieß sie einen langsamen Seufzer aus und wandte sich um, um ihn anzusehen. „Deine Missbilligung kann ich jetzt gar nicht gebrauchen, Tegan. Ich bin völlig am Ende, und ich muss aus diesen schrecklichen Kleidern raus. Wenn du also vorhast, mir eine Standpauke zu halten, wirst du damit noch etwas warten müssen.“

Er zog sie an sich, und sie wurde ganz still, als sich seine Arme in einer wilden Umarmung um sie schlossen.

Er konnte sie nicht loslassen. Er konnte nichts sagen. Seine Brust zog sich zusammen in einem Gefühl, das er sich nicht eingestehen wollte, das sich aber auch nicht abstreiten ließ. Es schnürte ihm die Luft ab, schloss sich um sein Herz wie eine Schraubzwinge.

Verdammt!

Elise hätte heute getötet werden können. Sicher, sie hatte es geschafft, zu entkommen, aber sie war im Kampf mit diesem Lakai in ernsthafter Gefahr gewesen, und da standen die Chancen immer gut, dass es schlecht ausging.

Er hätte sie verlieren können, während er schlief. Als sie außerhalb seiner Reichweite und er unfähig war, sie zu beschützen.

Der Gedanke traf ihn tief.

So unerwartet tief.

Alles, was er jetzt tun konnte, war, sie festzuhalten. Als wollte er sie nie wieder loslassen.

Elise hatte damit gerechnet, dass Tegan wütend war und ihr ein paar arrogante Machosprüche an den Kopf werfen würde.

Nichts hätte sie mehr schockieren können, als jetzt seine Arme um sich zu spüren, die sie festhielten.

Du liebe Güte, zitterte er etwa?

Sie stand im warmen, starken Käfig seiner Umarmung und spürte, wie ein Teil ihrer nervösen Anspannung langsam von ihr wich. Die Angst, die ihr bis in die Knochen gedrungen war und die sie sich bis jetzt nicht erlaubt hatte wahrzunehmen, begann, in ihre Glieder zu strömen. Sie lehnte sich in Tegans Stärke, die sie willkommen hieß, und hob die Hände, um sie auf die harten Muskeln seines nackten Rückens zu legen, ihre heile Wange an die glatte Fläche seiner Brust gepresst.

„Da gibt es Papiere“, schaffte sie schließlich herauszubringen.

„Peter Odolfs Bruder hat ein paar Briefe geschrieben. Ich dachte, dass sie vielleicht wichtig sind. Darum bin ich zu Irina hinausgefahren.“

„Das ist mir egal.“ Tegans Stimme war belegt, vibrierte an ihrem Ohr. Seine Fingerspitzen pressten sich in ihre Schultern, als er sie auf Armeslänge von sich fort hielt und in ihre Augen hinunterstarrte. Der smaragdgrüne Blick war durchdringend, von so intensiver Ernsthaftigkeit. „Herr im Himmel, das ist mir jetzt so was von egal.“

„Es könnte etwas bedeuten, Tegan. Es gibt da ein paar seltsame Passagen …“

Er schüttelte den Kopf, nun mit einem finsteren Gesicht.

„Das kann warten.“

Er streckte die Hand aus und wischte einen verschmierten Fleck an ihrem Kinn fort. Dann hob er ihr Gesicht, starrte sie einen langen Moment lang an und küsste sie.

Es war ein kurzer und zärtlicher Kuss, gefüllt mit einer Süße, die Elise den Atem nahm.

„Alles kann warten“, sagte er ruhig, eine dunkle Wildheit in der Stimme. „Komm mit, Elise. Ich will mich um dich kümmern.“

Er führte sie an der Hand aus dem Foyer, die Haupttreppe hinauf und zu ihrem Gästezimmer im zweiten Stock. Sie ging mit ihm hinein und blieb stehen, als er die Tür hinter ihnen schloss. Er sah hinunter und bemerkte ihre fertig gepackte Reisetasche, die dort auf dem Boden stand. Als er sie wieder ansah, stand eine Frage in seinen Augen.

„Ich hatte geplant, Berlin heute zu verlassen. Ich wollte nach Boston zurück.“

„Wegen mir?“

Sie schüttelte den Kopf. „Meinetwegen. Weil ich so durcheinander bin wegen einer Menge Dinge und die Perspektive verliere, was wirklich wichtig ist. Das Einzige, was zählt, ist …“

„Deine Rache.“

„Mein Versprechen, ja.“

Tegan baute sich vor ihr auf, sein breiter Brustkorb füllte ihr Blickfeld und strahlte eine Wärme aus, von der sie sich so sehr wünschte, sie wieder an ihrer Haut zu spüren. Sie schloss die Augen, als er begann, vorsichtig ihre blutgetränkte Bluse aufzuknöpfen. Er schälte ihr die klebrige Seide vom Körper und ließ sie zu Boden fallen.

Vielleicht hätte sie sich befangen fühlen oder ihm zumindest Widerstand leisten sollen, als er sie auszog, so wie die Dinge in der letzten Nacht zwischen ihnen gelaufen waren. Aber ihr war übel von dem Blut auf ihren Kleidern, und ein Teil ihres Selbst, zitternd und verstört, hieß Tegans Sorge um sie willkommen.

Seine Berührung war beschützend, nicht fordernd, nichts als ruhige Stärke. Verlässlich und voller Mitgefühl.

Ihre ruinierte Hose war als Nächstes an der Reihe, zusammen mit Socken und Schuhen. Und dann stand sie nur noch in BH

und Höschen vor ihm.

„Das Lakaienblut ist dir bis auf die Haut gedrungen“, meinte er mit einem Stirnrunzeln, als er mit der Hand über ihre verletzte Schulter und die Linie ihres Armes hinunterstrich. Im angrenzenden Badezimmer drehte sich die Dusche an. „Ich wasche es dir ab.“

Sie ging mit ihm in das geräumige Badezimmer hinüber und sagte nichts, als er behutsam ihre letzten Kleidungsstücke entfernte.

„Komm“, sagte er und führte sie um die Wand aus marmorierten Glasziegeln herum, die den großen Duschbereich vom Rest des Raumes trennte.

Warmer Dampf umhüllte sie, als sie sich dem Wasserstrahl näherten.

„Du wirst ja ganz nass“, sagte Elise, als Tegan ihr voranging, ohne seine Jeans auszuziehen.

Er zuckte unmerklich die Schultern. Wasser strömte über ihn, in sein zottiges Haar und die breiten Muskelstränge auf seinen Schultern und Armen hinunter. Das Wasser ergoss sich in sprühenden Rinnsalen über die wunderschönen Linien seiner Dermaglyphen und den dunkel werdenden Jeansstoff, der seine langen, kräftigen Beine umspannte.

Sie sah ihn an und hatte das Gefühl, ihn plötzlich mit ganz neuen Augen zu sehen … als sähe sie ihn zum ersten Mal. Es konnte keinerlei Zweifel daran geben, was er war - ein einzelgängerischer, tödlicher Mann, eine ausgebildete Kampfmaschine, dessen Gefühllosigkeit fast perfekt war. Aber er hatte etwas überraschend Verletzliches, wie er jetzt so vor ihr stand, triefnass, seine Hand liebevoll nach ihr ausgestreckt.

Und wo der Krieger in ihm sie zuvor hatte innehalten lassen, verwirrte sie diese neue Sicht auf ihn sogar noch mehr.

Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen, um dort für immer zu bleiben.

„Komm mit mir unter die Dusche, Elise. Ich mache den Rest.“

Ihre Füße bewegten sich wie von selbst, ihre Finger kamen auf Tegans warmer Handfläche zu liegen. Er zog sie unter den weichen Strahl der Dusche. Strich ihr das Haar aus dem Gesicht, als sie beide klatschnass wurden.

Elise schmolz unter dem warmen Wasser und in der noch größeren Hitze von Tegans Körper, der sich an sie drückte. Sie überließ sich ihm ganz und gar, als er ihre Haut einseifte und ihr Shampoo im Haar verteilte, froh über den Trost seiner Berührung nach diesem schrecklichen Tag.

„Fühlt sich das gut an?“, fragte er, als er sie abspülte, das tiefe Vibrieren seiner Stimme wanderte durch seine Fingerspitzen und ihr in Haut und Knochen hinein.

„Es fühlt sich wunderbar an.“

Zu wunderbar, dachte sie. Wenn sie mit Tegan zusammen war, besonders so wie jetzt, ließ er sie ihren Schmerz vergessen.

Er machte es ihr zu leicht, die Leere zu vergessen, die so lange in ihrem Herzen gewesen war. Durch seine Zärtlichkeit fühlte sie sich wieder so erfüllt, sie schob all die Dunkelheit fort. Jetzt, als er sie streichelte und sie so sicher in seinen Armen hielt, gab er ihr das Gefühl, geliebt zu werden.

Er machte es ihr so leicht, viel zu verlockend, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sie wieder glücklich sein konnte. Wieder ganz sein konnte, mit ihm.

„Ich habe meinem Sohn ein Versprechen gegeben, aber gerade jetzt versage ich“, sagte sie und zwang sich, aus dem Trost von Tegans Armen zu fliehen. „Alles, was in diesen Tagen für mich zählen sollte, ist, sicherzustellen, dass Camdens Tod nicht umsonst war.“

Etwas blitzte in seinen Augen auf und verschwand nur einen Moment später mit dem Fall seiner nassen Wimpern. Er griff hinter sie und stellte die Dusche ab. „Du kannst nicht dein ganzes Leben lang für die Toten leben, Elise.“

Er griff über sie hinweg und nahm ein gefaltetes Handtuch von dem Stapel auf dem hohen Regal, das in den Marmor der Dusche eingelassen war. Als er ihr das Handtuch reichte, sah Elise ihm in die Augen. Der gehetzte Ausdruck, den sie dort sah, bestürzte sie.

Darin lag eine Düsternis, die ihr ins Gesicht starrte. Der Schmerz einer alten, nie verheilten Wunde.

Das war ihr bisher noch nie aufgefallen … weil sie sich nie gestattet hatte, es wahrzunehmen.

„Du gibst dir die Schuld daran, was mit deiner Gefährtin geschehen ist, nicht?“

Eine ganze Minute lang sah er sie schweigend an, und sie dachte schon, dass er es mit seiner üblichen Distanziertheit abstreiten würde. Aber dann stieß er einen Fluch aus und fuhr sich mit den Fingern durchs nasse Haar. „Ich konnte sie nicht retten. Ich war für ihre Sicherheit verantwortlich, aber ich habe versagt.“

Elises Herz setzte einen Schlag aus. „Du musst sie sehr geliebt haben.“

„Sorcha war ein liebes Mädchen, die unschuldigste Person, die ich je kennengelernt habe. Sie hat den Tod, den sie erleiden musste, nicht verdient.“

Elise schlang sich das Handtuch um, während sich Tegan auf die Marmorbank setzte, die sich auf ganzer Länge um die Wand der Duschkabine zog. Seine Beine waren gespreizt, die Ellenbogen ruhten auf seinen Knien.

„Was ist passiert, Tegan?“

„Etwa zwei Wochen, nachdem sie entführt wurde, schickten ihre Entführer sie mir nach Hause zurück. Sie war vergewaltigt und gefoltert worden. Und als wäre das nicht schon grausam genug gewesen, hatte er auch von ihr getrunken. Sie kam als Lakaiin des Rogue zu mir zurück, der sie so grausam gequält hatte.“

„Oh Gott, Tegan.“

„Sie so zurückzuschicken war schlimmer, als sie zu töten, aber ich schätze, diese Aufgabe hatten sie mir zugedacht. Ich konnte es nicht. In meinem Herzen wusste ich, dass sie schon fort war, aber ich konnte ihr Leben nicht beenden.“

„Natürlich nicht“, versicherte sie ihm sanft. Seine Geschichte brach ihr fast das Herz.

Elise schloss die Augen zu einem leise geflüsterten Gebet und setzte sich dann zu Tegan auf die Bank. Es war ihr egal, ob er ihr Mitgefühl zurückwies; jetzt musste sie ihm nahe sein. Er musste wissen, dass er nicht allein war.

Als sie ihre Hand auf seine nackte Schulter legte, zuckte er nicht zurück. Er drehte den Kopf zur Seite und begegnete ihrem mitfühlenden Blick. „Ich versuchte, sie zu heilen. Ich dachte, wenn ich ihr nur genug Blut nehme und ihr dafür meines gebe - wenn ich sie aus meiner Vene nähren und das Gift aus ihren Venen saugen kann -, dann kommt sie vielleicht durch ein Wunder wieder zurück. Also habe ich mich genährt, um sie zu nähren. Ich kam in einen Blutrausch, der Wochen dauerte. Ich hatte keine Selbstbeherrschung mehr. Ich war so von Schuld zerfressen und dem Bedürfnis, Sorcha zu heilen, dass mir gar nicht auffiel, wie schnell ich auf die Blutgier zudriftete.“

„Aber du hast doch die Grenze nicht überschritten, oder? Ich meine, wenn es so weit gekommen wäre, dann wärst du jetzt nicht hier.“

Er lachte auf, ein scharfes, bitteres Geräusch. „Oh doch, ich habe die Grenze überschritten. Ich bin gefallen, so wie es allen Süchtigen geht. Die Blutgier hätte mich zum Rogue gemacht, wenn Lucan nicht gewesen wäre. Er ist eingeschritten und hat mich in eine Kerkerzelle gesteckt, um abzuwarten, bis die Krankheit gebrochen war. Es hat Monate gedauert, und ich bin fast verhungert, man hat mir nur so viel Nahrung gegeben, wie unbedingt nötig war, um mich am Leben zu halten. Die meisten dieser Tage habe ich damit verbracht, um meinen Tod zu beten.“

„Aber du hast überlebt.“

„Ja.“

„Und Sorcha?“

Er schüttelte den Kopf. „Lucan hat für sie getan, wozu ich nicht Manns genug war. Er hat sie von ihrem Leiden befreit.“

Elises Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen, als sie verstand. „Er hat sie getötet?“

„Es war ein Akt der Gnade“, antwortete Tegan angespannt.

„Und trotzdem habe ich ihn die letzten fünfhundert Jahre dafür gehasst. Letztendlich hat Lucan ihr viel mehr Mitgefühl erwiesen, als ich es konnte. Ich hätte sie am Leben erhalten, nur um mir die Schuldgefühle zu ersparen, sie getötet zu haben.“

Elise ließ ihre Handfläche über Tegans glatten Rücken gleiten, bewegt von seinem Geständnis und der Liebe, die ihm vor so langer Zeit genommen worden war. Sie hatte ihn für kalt und gefühllos gehalten, aber das war nur, weil er seine Gefühle verbarg. Seine Wunden reichten tiefer, als sie je gedacht hätte.

„Es tut mir so leid, du hast so viel durchmachen müssen, Tegan.

Ich verstehe jetzt. Ich verstehe … auf einmal so viel.“

„Ach ja?“

Der düstere Blick, mit dem er sie ansah, war so intensiv, dass er ihr bis tief in die Seele zu dringen schien.

„Als ich dich vorhin unten sah, blutüberströmt …“ Abrupt hielt er inne, als wäre er unfähig, die Worte zu formen, die er sagen wollte. „Ach, verdammt … diese Art von Angst und Schmerz wollte ich nie wieder fühlen, verstehst du? Ich wollte nie wieder jemanden so nahe an mich heranlassen.“

Elise sah ihn schweigend an, sie hörte seine Worte, war aber unsicher, wie sie sie verstehen sollte. Meinte er das etwa wirklich ernst, empfand er etwas für sie?

Seine Finger strichen federleicht über das dumpfe Pochen in ihrer gequetschten Wange. „Doch, es ist so“, sagte er, eine ruhige Antwort auf ihre Frage, die er in seiner Berührung gelesen hatte.

Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, hielt sie einfach nur im Schutz seines Armes, sein Daumen streichelte sanft ihren Oberarm. „Ich glaube, mit dir wäre es sehr leicht, zu viel zu empfinden, Elise. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Risiko eingehen kann.“

„Kannst du nicht … oder willst du nicht?“

„Da gibt es keinen Unterschied. Das sind nur Worte.“

Elise lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sie wollte das jetzt nicht hören. Wollte ihn nicht gehen lassen. „Also, was bedeutet das für uns? Wie soll es mit uns weitergehen, Tegan?“

Er sagte nichts, hielt sie nur weiter fest und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.

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